Raus in die Natur. Rein ins Erlebnis

Festschrift \

SGV-Abteilung Remscheid e.V. – 100 Jahre unterwegs

Brief an den Vorstand 1911
Brief an den Vorstand 1911

Mit diesem Brief zeigte Friedrich Carl Ripke am 6. Januar 1911 dem Vorstand des Sauerländischen

Gebirgsvereins in Arnsberg an,dass sich tags zuvor im Restaurant „Zur Börse“ 14 Wanderbegeisterte  zur SGV-Ortsgruppe Remscheid

zusammengeschlossen

hatten.

 

Die ersten Jahrzehnte

 

Im gleichen Jahr war der Grundstein für ein neues Krankenhaus in der Burger Straße, dem heutigen Sana-Klinikum, gelegt worden, hatte die Stadt einen neuen Bahnhof erhalten; er wurde 2007 abgerissen, jetzt gibt es nur noch ein Haltepunkt. Die Landung des in Leichlingen stationierten  Luftschiffs  „Parseval“ auf dem Schützenplatz bot  den Remscheidern ein besonderes Spektakel. Der Remscheider Generalanzeiger berichtete vom „Bergischen Heimatschutz“, einer Bewegung gegen die zunehmende Verschmutzung der Wupper, u. a. wendete man sich telegrafisch an den Kaiser: „…drohen allerschwerste gesundheitliche und wirtschaftliche Schädigungen durch die zunehmende Verseuchung der Wupper. Hervorgerufen durch die Abwässer der Fabriken sowie seit Einführung der Kanalisation hauptsächlich auch durch die Abwässer der Kloaken von Elberfeld und Barmen herrscht seit Monaten ein pestartiger Geruch in der ganzen Gegend, so dass Scharen von Besuchern entsetzt fliehen. Darum treten wir hilfesuchend vor Euer Majestät Thron…“ Bürgerinitiativen sind keine Erfindungen unserer Zeit. 1911 löste in China nach blutigen Revolten die Staatsform der Republik 2000 Jahre Kaiserherrschaft ab, erhielt Marie Curie für die Entdeckung der radioaktiven Elemente Polonium und Radium den Nobelpreis für Chemie, erreichte am 14.12. Roald Amundsen als Erster den Südpol.

 

Am 17.12.1912 fand die erste Jahreshauptversammlung mit inzwischen schon 30 Personen statt. Die erste Satzung wurde verabschiedet, in der u. a. geregelt war: Der Vorstand entscheidet über Neuaufnahmen, wobei es ihm anheim gestellt ist, eine Hauptversammlung zu befragen. Der Jahresbeitrag wird auf 3.- Mark festgesetzt. Bei Zahlungsverzug werden Mitglieder nach 2-maliger Mahnung ausgeschlossen, im Jahr haben 2 gemeinschaftliche Wanderungen, über deren Ziele eine hierzu einberufene Hauptversammlung entscheidet, stattzufinden, größere Wanderungen sind dem Vorstand so rechtzeitig anzukündigen, damit dieser die Mitglieder per Postkarte unterrichten könne, bei kleineren Wanderungen genügt bis abends vorher eine Information des Vorsitzenden mittels Fernsprecher. Dies beleuchtet die damalige soziale  Struktur, denn das Telefon war ein noch höchst seltenes Nachrichtenübermittelungsgerät, über das privat nur einige Angehörige „höherer“ Schichten verfügten.

 

Erst 1920 trafen sich 22 Mitglieder wieder zu einer Jahreshauptversammlung, bei der man sich Geldbußen auferlegte: Zuspätkommen kostete 1.- Mark, Nichterscheinen 3.- Mark. In der Satzung der 1921 gegründeten Jugendgruppe war zunächst festgelegt, dass keine Mädchen aufgenommen werden dürfen, für den Hauptverein in Arnsberg zu starker Tobak. Der Punkt musste gestrichen werden. Das weibliche Element hielt bald Einzug, 1926 wurde mit Hanni Koch erstmals eine Frau in den Vorstand gewählt, und zwar als Kassenwart. Ab 1930 gehört Grete Kochenrath dem Wanderausschuss an. Die Mitgliederzahlen zwischen 1921 bis in die frühen 30er Jahre schwanken zwischen 30 und 96. 1924 hatte Friedrich Carl Ripke den Vorsitz abgegeben, 1932 wurde er wieder in dieses Amt gewählt.

 

Im gleichen Zeitraum fanden 7 bis 18 Wanderungen pro Jahr statt, z. B. 1921 Kotthausen – Ründeroth – Marienheide, Bergisch Neustadt – Marienheide, in der Eifel, über den Volmehangweg, Sternwanderung zum Altenhammer, 2 Tage Siebengebirge mit Übernachtung in Hennef, 1,5 Tage Wiehl und Nümbrecht. Werbung war seit jeher wichtig!

 

 

1924 hatte sich auf Grund der französischen Besetzung des Ruhrgebiets und Rheinlands eine Ortsgruppe Lennep gebildet, denn das Überschreiten der Demarkationslinie zwischen Lennep und Remscheid war mit umständlichen Kontrollen verbunden, zudem musste ein Zoll von 50 Goldpfennigen gezahlt werden. 1932 schloss sich die 13-köpfige Ortsgruppe Lennep der Remscheider SGV - Abteilung an; die ehemalige Kreisstadt Lennep war 1929 im Rahmen einer preußischen Gebietsreform ein Stadtteil Remscheids geworden.

 

Mit Beginn der Nazidiktatur 1933 verlor auch der SGV seinen Status als freier Wanderverein, man schaltete ihn gleich. An die Seite des 1. Vorsitzenden Friedrich Carl Ripke, nun „Führer“ der Ab­tei­lung, trat ein überzeugtes NSDAP-Mitglied als 2. „Führer“. Die NSDAP setzte die Satzung von 1911 außer Kraft, die Ergebnisse der Vorstandswahlen bedurften der Zustimmung durch die NSDAP. Die örtliche NS-Organisation „Kraft durch Freude“ schickte einen Vertreter in den Vorstand der Abteilung, im Gegenzug wurde Ripke Leitungsmitglied bei „Kraft durch Freude“ Remscheid. Der Reichs­wander­führer bestimmte 1934, dass zukünftig der Sauerländische Gebirgsverein als einziger Wanderverein das Bergische Land betreut. Ein positives Element war, dass über 4000 Kilometer Wanderwege im Bergischen Land von vielen unterschiedlichen Wanderzeichen entrümpelt, neu erschlossen und markiert wurden. Eine einheitliche Wanderuniform – grünliche Leinenjoppe mit dunkelgrünem Kragen­aufschlag für Männer, grüner Lodenrock mit Bluse bzw. Dirndlkleid für Frauen - setzte sich weithin durch. Nach dem Krieg gab es noch einmal eine Art Uniformierung, indem Kniebundhosen, rote Strümpfe, kleinkarierte Hemden und Blusen bei SGV-Wanderern weit verbreitet waren. Manche Außenstehende schlossen von der textilen Kleinkariertheit auf die geistige Haltung. Dieses Image hängt uns bei einigen Zeitgenossen immer noch an, wenn auch zu Unrecht.

Im Mai 1938 richtete der Remscheider SGV (141 Mitglieder) das 34. Gebirgsfest aus. Tagung des SGV-Führerrats, Empfänge, Kundgebung auf dem Rathausplatz mit Wimpelweihe (Wimpel waren 1934 eingeführt worden) und Marsch zum Schützenplatz, Heimatabend und Volksfest bestimmten den Ablauf. Aber es wurde nicht nur marschiert, sondern auch gewandert – an den Wanderungen nahmen ca. 300 Personen teil.

 

Im November 1938 legte Friedrich Carl Ripke, gesundheitlich bedingt, den Vorsitz nieder, die Abteilung dankte ihn mit dem Ehrenvorsitz. Von 1933 bis 1940 nahm die Zahl der Wanderungen im Jahr von 20 auf 32 zu. Einige Fotos aus jener Zeit.

Auf dem Weg – damals „Anmarsch“ –zum Kohlbergtreffen 1938.

Am Asten-Hotel in Winterberg 1937

Am Asten-Hotel in Winterberg 1937. Im Landkreis Olpe 1939.

 

Bald nach Ausbruch des 2. Weltkrieges im September 1939 wurden die ersten Mitglieder zur Wehrmacht einberufen. Im Verlaufe des Krieges mussten immer mehr Wanderer die zivile Kleidung gegen militärische Uniformen tauschen und marschieren, wie es sich die braunen Machthaber von Anfang an gedacht hatten. Auch Frauen waren darunter, eingesetzt als Nachrichtenhelferinnen, Rotkreuzschwestern. Der Abteilungsführer Otto Paß war von 1940 – 42 Soldat, Friedrich Carl Ripke vertrat ihn.

 

Am 31. Juli 1943 legte ein schwerer Bombenangriff 65% der Remscheider Ge­bäude in Schutt und Asche. Der SGV-Kassenbestand, das Spar­buch, das Kartenmaterial gingen verloren, die Akten der Abteilung blieben erhalten. Die Mit­glieder Lotte Arns und Marianne Mühlhoff kamen ums Leben. Im November 1943 fiel ein Mitglied in Russland, ein weiteres wurde 1944 bei der Bombardierung Solingens  getötet. Mögliche weitere Opfer sind in der Chronik nicht verzeichnet.

Auch wenn man berücksichtigt, dass alle an­de­ren Wandervereine ausgeschaltet waren, lässt die Tatsache, dass während des Krie­ges die Zahl der Mitglieder auf über 200 an­stieg (1945 234 Vollmitglieder, dazu 45 Ju­gend­liche), staunen. Als Gründe könnten Ablenkung von den täg­lichen Nöten und Gefahren, Suche nach Trost, Zusammenhalt Infrage kommen.

 

Fleißig wurde bis Ende 1944 unentwegt ge­wan­dert: 1941 fanden 37 Wanderungen statt, darunter eine vier­tägige in Olpe. 1942 waren es 57 Wan­de­run­gen, eine wieder über 4 Tage ging diesmal nach Altena. Unter den 74 Wanderungen im Jahre 1943 gab es zwei viertägige in Mollseifen und Arnsberg, sowie eine über 8 Tage in Lingen/ Weser und eine über 9 Tage von Marien­heide zum Jagdhaus.

 

Wiedergeburt nach dem 2. Weltkrieg

 

Die Schrecknissen des schon verlorenen Krieges und die immer näher rückenden Front zwangen  die Remscheider SGV-Abteilung, ihre Aktivitäten weitgehend einzustellen. Friedrich Carl Ripke schildert am 10. 12. 1944 in einem Brief   an den Hauptverein die Situation: „Unsere Wandertätigkeit und Vereinsarbeit nahm im Laufe des Jahres nach und nach ab, bedingt durch die immer näher kommende Front der Alliierten und durch die in letzter Zeit stark rationierten Lebensmittel. Seit einigen Monaten ist die Brotration um 200 Gramm gekürzt worden, so dass bei aller Einteilung für die Wanderration nichts übrig bleibt. Seit September waren es nur zwei bis drei unermüdliche Wanderer, die am Wanderplan festhielten. Nach den beiden schweren Angriffen auf Solingen sind die Zusammenkünfte und Wanderungen zum Erliegen gekommen. Man wagt nicht, vom Rest seiner Habe wegzugehen, denn dann streiken die zu Hause gebliebenen Familienmitglieder, die bei dem ständigen Alarm in Sorge um ihre Wanderer sind, denn gerade beim Angriff am 4. November  ist  eine größere Anzahl von Menschen beim Spazierengehen durch Bomben ums Leben gekommen.“

 

 

Das „großdeutsche Reich“, das unendliches Leid über die Menschheit gebracht hatte, war am Ende. Im April 1945 marschierten die Amerikaner in Remscheid ein. Die Besatzungsmacht verbot jede Vereinstätigkeit, man verabredete sich von Mund zu Mund für Wanderungen und war in kleinen Gruppen von 5 bis 6 Personen unterwegs, um nicht aufzufallen.

 

1946 hatten die Amerikaner Jugendgruppen ge­nehmigt. Die Remscheider SGV-Jugend (30 Mädchen, 40 Jungen) initiierte im März die Zusammenarbeit aller Jugendgruppen un­ter Aufsicht des Stadtjugendamtes. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft, die die Ame­rikaner förderten und unterstützen, ging spä­ter der Stadtjugendring hervor. Dank der Hil­fe durch die Quäker konnte die SGV-Ju­gend­gruppe im August 14 Tage lang ein Som­merlager im Hückeswagener Ortsteil Straßweg beziehen. Die Jugendgruppe be­stand bis 1953.

 

1946 ließ die amerikanische Besatzungsbehörde den SGV wieder zu, und im April fand die erste Jahres­hauptversammlung nach dem Kriege statt. Dabei übernahm Friedrich Carl Ripke nochmals den Vor­sitz der Abteilung. Die Bedingungen waren äußerst schwierig, z. B tauschte der Vorstand in einer Iserlohner Papierfabrik Feilen und Sägen gegen Schreibpapier und Briefumschläge, von den Ernährungsproblemen ganz zu schweigen. Unter diesen Voraussetzungen fanden nur wenige Wanderungen statt.

 

1947 gab Ripke den Vorsitz endgültig ab, ihm folgte bis 1961 Christian Ziegler. Das gesperrte Vereinsvermögen von 1562,65 RM wur­de 1947 freigegeben, die aber nach der Währungsreform 1948 nur noch 62,70 DM wert waren. Mit der Bes­se­rung der allgemeinen Lebensumstände stieg die Zahl der Wanderungen, so waren 1948 209 Mitglieder 72 Mal unter­wegs. Die damaligen Ausfahrten waren aus heutiger Sicht abenteuerlich, was Trans­portmittel und –sicherheit anbetrifft.

1948 Ausflug ins Sauerland – auf dem Sorpeviadukt

 

Die Mitgliederzahlen pendelten um 150, mal sanken sie auf 119, mal stiegen sie auf 220. Fast in jedem Jahr fand eine mehrtägige Wanderung, die in der Regel jeweils 5 Tage dauerte, statt. Ziele waren die weitere Umgebung Remscheids, wie Olpe, Berleburg, das Sauerland, aber auch der Hunsrück. 1958 starb im Alter von 79 Jahren der Gründer der Abteilung und langjährige Vorsitzende Friedrich Carl Ripke, ihm gebührt ein Ehrenolatz im Geschichtsbuch der Abteilung. 1961 trat Christian Ziegler aus Altergründen zurück, die Abteilung dankte ihm mit dem Ehrenvorsitz, Nachfolger wurde Max Bremicker.

 

1965 entstand noch einmal eine Jugendgruppe, zu deren Programm auch Radwanderungen, z. B. in die Niederlande, gehörten. Das geringes Interesse unter Jugendlichen am Wandern im Verein und mangelnder Zuspruch bedingten, dass es seit 1975 keine Jugendgruppe mehr gibt. 1967 ließ sich die Abteilung als Verein eintragen und erlangte so mehr Eigenständigkeit, aber auch mehr Eigenverantwortung, ohne dem Gesamt-SGV untreu zu werden. Seitdem ist unser offizieller Name  „Sauerländischer Gebirgsverein Abteilung Remscheid e.V.“ Nach dem plötzlichen Tod von Max Bremicker, der nur 47 Jahre alt geworden war, trat sein Bruder Richard Bremicker das Erbe als Vorsitzender an. Seine Firma Edscha, die den Einsatz der ganzen Person erforderte, ließ ihn nur  6 Jahre  das Amt innehaben. Als Schirmherr blieb er der Abteilung verbunden.

 

Erlebnis SGV Abt. Remscheid e.V.

 

Die Jahreshauptversammlung wählte 1973 Manfred Freitag zum 1. Vorsitzenden. Von Anfang an stand ihm u.a. Egon Schmidt zur Seite, der sich mit großem Engagement besonders um das Wandern kümmerte, folgerichtig wurde er 1975 zum 1. Wanderwart gewählt und blieb es bis zum Jahre 2000. Zur Unterstützung richtete er das aus 3 Personen bestehenden Wandergremium ein. Bis heute fortwirkend trägt das Wanderprogramm seine Handschrift, er hat die Basis dafür gelegt, dass wir, ohne unbescheiden zu sein, sagen dürfen, unser Wanderprogramm ist sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt her eines der attraktivsten im gesamte SGV.

Dolomiten 1977

   Montafon 1976                                 Dolomiten 1977

 

Ab 1976 „entdeckte“ die Abteilung das Hochgebirge für sich. Hans Model, zuvor bereits in den Vogesen unterwegs, führte ins Appenzeller Land, mit Egon Schmidt ging es im Herbst ins Montafon. In den Folgejahren gab es weitere Hochgebirgsfreizeiten: 6x Dolomiten (Lissy Werner und Sylvia Komor, Egon Schmidt), Julische Alpen (Egon Schmidt), 2x Virgental (Egon Schmidt), 2x Lungau (Egon Schmidt), Wildschönau, Kitzbühler Alpen, Drei Zinnen-Gebiet (jeweils Uschi Scheuermann), seit 2004 alle zwei Jahre Donnersbachwald/Steiermark, zuletzt 2010 (Manfred Bau),   2009 Vinschgau (Karin Ekert).

 Donnersbachwald  2006                   Donnersbachwald  2006

 Donnersbachwald  2008                  Donnersbachwald  2010

 

Das Wandern ist des Müllers LustDa damals am Mittwoch fast ausschließlich Frauen wanderten, richtete 1977 Wilhelm Becker quasi als Ausgleich die Gruppe für ältere Herren ein. Sie treffen sich bis heute nach Absprache  jeden Montag. Ebenso wichtig wie die  kleinen Wanderungen  sind  das   Gespräch

und das Zusammensein. Ein 

Teilnehmer fasste dies in Verse.

 

1977 führte  Manfred Freitag das Radwandern in der Abteilung ein, was zunächst auf wenig Gegenliebe bei ewig Gestrigen  im Hauptverein stieß: „Wir sind ein Wander-, kein Radfahrverein!“ Seitdem weitete sich das Radwandern bei uns ständig aus, zog neue Mitglieder an und wurde zum zweiten Standbein. In den Monaten mit Sommerzeit wird jeden Montag – „Radeln für Genießer“ – und jeden Dienstag – „Radlertreff“ -  geradelt. Den „Radlertreff“ hatten Christa und Günter Griesel, beide engagierte Wanderführer, initiiert.  Das Bergische Land, Rheinland, Ruhrgebiet, die Region zwischen Rhein und Maas waren und sind Ziele von Halb-, Ganztags-, Zweitagestouren. Hinzu kommen Radwanderfreizeiten.

Das Jahr 1990 bedeute eine Zäsur für die SGV-Abteilung Remscheid. Manfred  Freitag verließ aus familiären Gründen die Stadt, er blieb jedoch als Wanderführer  mit uns verbunden und bescherte uns im Sommer 1992 eine einwöchige Wanderfreizeit in seiner Heimat, dem Riesengebirge. Mit Manfred Freitag verabschiedeten sich  Else Schnell, Helga Erle, Erika Busch aus dem Vorstand.  Sie alle haben sich um die Abteilung verdient gemacht und hinterließen ein wohlbestelltes Haus.

Auf der Jahreshauptversammlung am 3.3.1990 wurde Jürgen Flöttmann, zuvor  schon Wegewart, mit großer Mehrheit zum ersten Vorsitzenden gewählt. Eine neue Satzung trat in Kraft.  Bis heute steht Jürgen Flöttmann an der Vereinsspitze – die bisher längste zusammenhängende Amtzeit. Er, die neue Vorstandsmannschaft, die Wanderführerinnen und –führer im Verbund mit den Mitgliedern – damals 235, davon 67% Frauen - bauten das Programm weiter aus, gestalteten es attraktiver und zeitgemäßer.

Im Herbst 1989 besiegelte die friedliche Revolution der DDR-Bürger das Ende des SED-Regimes., Am 9.November 1989 öffneten sich Mauer und Zaun, der Todesstreifen ist seidem nur noch Geschichte. Was kurz vorher noch als Utopie erschien, war über Nacht Wirklichkeit und Deutschland wieder eins. Am 3.10.1990 war die Wiedervereinigung auch staatlich endgültig vollzogen. Und unserer Abteilung boten sich in den Bundesländern Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern neue Ziele, die wir bald ansteuerten. Unser Vorteil ist, dass wir unter Mitgliedern, Wanderführern Kenner dieser Gebiete habe. Nicht nur mit ihrer Planung, sondern mehr noch durch Kenntnis von Landschaften, Menschen, Natu, Geschichteund Kultur gestalten sie dort attraktive Wanderungen.

Rennsteig bei Brennersgrün 1991 und Sächsische Schweiz 1991

 

Vom 1. – 4. Nov. 1990 führte Rolf Altmann über den Rennsteig, den vielleicht bekanntesten Wanderweg Deutschlands, von Eisenach zur Schmücke. Im nächsten Jahr (3. - 6.10. 1991) stand der 2. Teil vom Bahnhof Rennsteig nach Blankenstein/Saale auf dem Programm. Von Pirna, seit 1990 Remscheids Partnerstadt, aus machte uns Rolf Altmann vom 27.4. – 1.5. mit der faszinierenden Sandsteinwelt der Sächsischen Schweiz rechts und links der Elbe bekannt. Weitere zwei Freizeiten im Elbsandsteingebirge folgten, die letzte hatte 2009 Christine Müller durchgeführt, und 2011werden wir wieder dort sein. Mit Egon Schmidt wanderten wir durch ein Stück Vogtland, Rof Altmann zeigte uns den Ostharz mit dem Brockengipfel, den Thüringer Wald bei Stützerbach, den Nationalpark Hainich, das sagenumwobene Kyffhäusergebirge, leitete uns über den Oberlausitzer Bergweg von Bautzen nach Zittau. Tradition haben die von Rolf Altmann organisierten Winterfreizeiten im Weihnachtsland Erzgebirge, angefangen hatte es zum Jahreswechsel 1992/93, 2011/2012 wird es zum sechsten Mal eine Silvesterfeier im Erzgebirge geben. Bewusst hatten wir zum 93. Wandertag 1993 im fränkischen Naila vom 6.-16.6. Quartier in Ziegenrück an der Saale/Thür. genommen. Wir waren mit dem Bus angereist, der Bus stand während des gesamten Aufenthaltes zur Verfügung, so dass auch ältere Mitglieder das Gebiet der Saaletalsperren bei Saalfeld, einen Teil des Thüringer Schiefergebirges, ein attraktives Stück Rennsteig kennenlernen konnten. Das „Nailateam“ hatte 11 Wanderungen mit unterschiedlichen Anforderungen vorbereitet.

Auf dem Gelände der ehemaligen Kaiserpfalz Tilleda am Fuße des Kyffhäusergebirges 2006

Jahreswechsel 2007/2008 Im Seiffener Spielzeugwinkel / Erzgebirge

 

In der Euphorie der Wiedervereinigung haben wir jedoch nicht die für uns ständig zugänglichen Regionen vergessen. In der engeren und weiteren Heimat gibt es immer etwas Neues zu entdecken, auch auf kürzeren Wanderungen. Herrliche Natur- und Kulturerlebnisse, großartige Landschaftseindrücke vermittelten Wanderfreizeiten in der Eifel, der Rhön, der Ortenau Fränkischen Schweiz, im Kraichgau, Westerwald, Fichtelgebirge, Hochsauerland, Hunsrück, Teuteburger Wald, Eggegebirge, Weserbergland, Taunus, Schwarzwald, Kaufunger Wald, Knüllwald, Göttinger Wald, Spessart, Kaiserstuhl, an Rhein und Mosel, im Odenwald zwischen Darmstadt und Heidelberg, vom nördlichen zum südlichen Weintor (Dt. Weinstraße), an Jagst und Kocher.

Gleichermaßen waren und sind unsere Radwanderer in vielen deutschen Regionen aktiv. Durch Jürgen Flöttmann wurde der  Wunsch, vom Meeresstrand bis zum Alpenrand zu radeln, mit je einer Etappe im Jahr von 1989 – 1992 Wirklichkeit.

 

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien weiter genannt: Mehrtägiges Radeln im Emsland,

Alten Land, Havelland, Wendland, Münsterland, vom Brandenburger Tor zum Holstentor in Lübeck, im Spreewald, Lipper und Paderborner Land, Ammerland, längs der Weser, am Main, an der Tauber, durch den Hunsrück, durchs Kuseler Musikantenland (dabei halbtägige Draisinenfahrt), im Spreewald, Mühlenkreis Minden-Lübbecke, auf der Deutschen Fachwerkstraße zwischen Einbeck und dem thüringischen Mühlhausen, dem Hohenzollern- und Neckar-Alb-Weg zwischen Plochingen und dem Bodensee und über Bad Schussenried und Ulm zurück, durchs südöstliche Berliner Umland.

  Start zur Saale – Unstrut-Tour 1992                  Vor dem Hohenzollernschloss Hechingen 2002

 

Radelnd erlebte wir die Inseln Rügen und Usedom, die Altmark zwischen Tangermünde und Arerndsee mit dem Biospärenreservat „Mittlere Elbe“, den Hohen und Niederen Fläming, die Schorfheide und das Oderbruch, die Saale-Unstrut Region zwischen Weimar und Eisenach, drei Herzogtümer (Sachsen-Coburg, Sachsen-Römhild, Sachsen-Meiningen), folgten 1999 zum Goethejahr mit Umwegen durch Mittelwestsachsen und Nordostthüringen den Spuren des Dichters von Leipzig nach Weimar und begleiteten 2007 auf dem der Elberadweg den Strom von Bad Schandau bis in die Lutherstadt Wittenberg.

   Elberadtour 2008: Marktplatz von Pirna                     im Hintergrund das Schloss Moritzburg

 

Dank der politischen Neuordnung Europas nach1990 konnte uns Egon Schmidt 1998 problemlos in den Böhmerwald, den Adalbert Stifters so wunderbar beschrieben hat, führen. Offene Grenzen, ein Thema für Wilhelm Schmidt, mit dem wir 2001 in 4 Tagen durch 4 Länder radelten (Belgien, Luxemburg,  Frankreich,  Deutschland). Die guten Verbindungen nach Kreta von Helga Greb und Gerd Diether Förster ermöglichten  zwei Wanderaufenthalte auf Kreta, der Insel des Zeus, die Wiege Europas.

 

2002 führte Reinhard Wolff als 1. Wanderwart, von 2006 bis 2009 Bezirkswanderwart und seitdem 2. Wanderwart, nach absolvierter Ausbildung zum Übungsleiter mit dem Walking eine neue Bewegungsform ein. Sie passt ausgezeichnet in das Programm eines Wander­vereins und ergänzt es sinnvoll. Seitdem erfreuen sich  die 2 Walkingtermine  in der Woche eines  regen Zuspruchs. Reinhard Wolff wird inzwischen von Ulrike Bagusch und Manfred Bau unterstützt, die sich ebenfalls zu Übungsleitern in Sachen Walking, jetzt überwiegend als Nordic-Walking betrieben, qualifizierten.

Röntgenjahr 1995: 150. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen, geboren in  Lennep, vor 100 Jahren entdeckte die nach ihm benannten X-Strahlen, 65 Jahre Deutsches Röntgenmuseum. Dazu hatte Reinhard Wolff eine zündende Idee, indem er vorschlug, dem 58 km langen Remscheider Rundweg den Namen Röntgens zu geben. Seine Idee fand in der

Abteilung ein begeistertes Echo. Nach Ende des Genehmigungsverfahrens konnte am 27. März - Röntgens Geburtstag – 1995 die von der Abteilung finanzierte Wandertafel

aus Schiefer enthüllt und damit der „Röntgenweg“ feierlich eröffnet werden. Der Weg umfasst das ganze Stadtgebiet, er führt durch Täler mit Zeugnissen der Industriegeschichte Remscheids,über aussichtsreiche Höhen und berührt zahlreiche Sehenswürdigkeiten. Hier hat seit dem Jahre 2000 der Röntgen Sport Club e.V. den „Röntgenlauf“ etabliert. „Unser“ Weg ist seitdem an jedem letzten Wochenende im Oktober das Ziel von ca. 4000 Läufern, die sich zu diesem weithin bekannten sportlichen Event einfinden. Gäbe es ohne den „Röntgenweg“ einen Röntgenlauf?

An dieser Stelle ist es geboten, die Arbeit des Wegewartes Jürgen Flöttmann und seiner fünfköpfigen Wegezeichnermannschaft zu würdigen. Seit Jahren sorgen sie dafür, dass die 265 Kilometer des Remscheider Wanderwegenetzes in beide Richtungen vorbildlich gezeichnet sind. An markanten Punkten geben Wandertafeln und Laufschilder zusätzliche Orientierung. Unter Jürgen Flöttmanns Regie als Bezirkswegewart seit 2003 ist ein deutlicher Qualitätssprung bei der Wanderwegemarkierung in der gesamten Region sichtbar.

 

Das Bild der Remscheider SGV-Abteilung wird durch Skilanglaufwanderungen in den 80er und 90er Jahren, als die Winter noch regelmäßig Winterwaren, und  durch Langstreckenwanderungen vervollständigt. Hartgesottene, darunter mit Ina Reim und Eva NIcoletti auch mehrmals Frauen, bewältigten 20 Mal 45 bis 65 km am Tag. Der natürliche, alterungsbedingte Leistungsschwund ließ diese Touren 2006 ausklingen, keiner nahm den Faden bisher wieder auf. Schade.

Nicht unerwähnt dürfen bleiben das Wochenende mit Überfahrt nach Helgoland, ein Abstecher zum Münchner Oktoberfest, Busfahrten zu Weihnachtsmärkten, z. B. nach Brüssel, Trier, Colmar und Straßburg, Bremen, Erfurt. Weiter sind gemeinsame Besuche von Kulturveranstaltungen, die Besuche von Museen wie dem Neanderthalmuseum, Museum König, Haus der Geschichte und der Bundeskunsthalle in Bonn, dem Deutschen Bilderbuchmuseum, um nur einige herauszugreifen. Oft bauen die Wanderführer solche und andere Besichtigungen (Industrie-, Architektur- und sonstige Denkmäler, Gotteshäuser, sehenswerte Orte) in ihre Tour ein, machen sie zu deren Thema. Seit 2006 steht jeden  Monat einmal  die Feierabendwanderungen an einem Freitag im Programm, dann wird 2-3 Stunden in den Abend hinein gewandert.

 

2005 wurde Manfred Bau 1. Wanderwart. Ganz im Sinne und Geist seiner Vorgänger Egon Schmidt und Reinhard Wolff zeichnet er gemeinsam mit dem 2. Wanderwart Reinhard Wolff für das Wanderprogramm, das unser Aushängeschild ist, verantwortlich. Seit 2003 bemüht er sich, Kinderaugen für die Schönheiten von Natur und Landschaft zu öffnen, den Kindern die Freude an der Bewegung im Freien zu vermitteln,  indem er sich bei Schulwanderungen engagiert und versucht, durch Familienwanderungen an einem Sonntag im Monat (seit 2006) die Kinder vom Computer und Fernsehgerät wegzulocken. Dabei ist das Wandern Mittel zum Zweck, Spaß, Spiel, kleine Abenteuer haben den gleichen Stellenwert.

 

Jedes Jubiläum ist immer mit einem Rückblick verbunden, naturgemäß fällt dieser bei 100 Jahren etwas länger aus. 100 Jahre bedeuten Tradition, jedoch wäre es ein Fehler, in der Tradition zu verharren ohne den Erfordernissen von Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden. Um mit Michail Gorbatschow zu sprechen „Wer zu spät kommt, den bestraft das (Wander-) Leben“.

                 Gegenwart und Zukunft

 Angefangen hatte alles mit 14 Männern, die nur wanderten. Wie hat sich das innere und äußere Erscheinungsbild in 100 Jahren auf dem Weg zum modernen Freizeitverein, denn als solchen verstehen wir uns, mit z. Zt. 288 Mitgliedern, davon 57% Frauen gewandelt. Unser Motto „Bewegung im Freien“ steht auf den 3 Füßen Wandern, Radwandern, Walken, wobei wir dies mit viel mehr verbinden: Natur- und Landschaftserlebnis, Bewegungsfreiheit, Sport, Begegnung ohne soziale Schranken in einer Gemeinschaft, dennoch bleiben Unabhängigkeit und Individualität gewahrt. Vom gesundheitlichen Wert zu sprechen, hieße Eulen nach Athen zu tragen.

 

Wir haben „Vielfalt“ auf unsere Fahne geschrieben, im Vereinsheft „KOMM MIT“ ist sie abzulesen. Die seit 1961 existierende Vereinsschrift trägt auf Vorschlag von Helga Erle Im Rahmen eines Mitgliederwettbewerbes seit 2004 diesen Namen. Dass unser „KOMM MIT“ in dieser Qualität und Stückzahl 4x im Jahr erscheinen kann, verdanken wir nicht zuletzt der exzellenten Arbeit unseres Werbewartes Gerd-Diether Förster. Seit 2002 ist die Abteilung im Internet präsent.

 

Ob jemand seine körperliche Fitness  prüft, erhalten will, bevorzugt großräumig Landschaften erkunden möchte oder eher das Kleine, Stille sucht, Pflanzen und Tiere  bewundert, Geselligkeit liebt – jeder findet etwas und ist uns willkommen. Zusammenarbeit mit Partnern ist bei uns groß geschrieben, dafür seien genannt Schulen, ewr-PlusCard,  das Forstamt Remscheid, die  Röntgenfestwoche, AOK Wanderserie, Radevormwalder Wandertage, Naturschule Grund, der Röntgen Sport Club  e.V., andere SGV-Abteilungen.

Für die Vielfalt sorgen unsere 32 Wanderführerinnen und – führer, die mit Einsatz, Ideenreichtum, Phantasie, Freude die große, bunte Palette von 359 Aktivitäten im Jahr, bei denen 5781 km mit 5172 Gesamtteilnehmern zurückgelegt wurden (2009) mischten und mischen. Ihnen allen, denen der Vergangenheit und denen der Gegenwart, gebührt ein Riesenapplaus.

Ein Wermutstropfen, den wir nicht verschweigen wollen,  im Pokal der 100 Jahre ist, dass unter unseren Mitgliedern zu wenig Junge sind, es rücken  zu wenig Junge nach. Zu einem solchen Jubiläum darf man auch Vision haben. In unserer Vision werden in hoffentlich naher Zukunft die heute allgemein verbreitete Vereinsmüdigkeit einem neuen Gemeinschaftssinn weichen, das Streben nach dem Zusammensein mit Gleichgesinnten wachsen,  verstärkt wieder  Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene sich  weg von  den virtuellen Welten hinein in die reale   Natur und Landschaft begeben, um dort aktiv zu sein, wobei die Vereine, unser Verein andere, neue Gesichter haben können, vielleicht auch haben müssen. Mit diesem Bild will die Abteilung Remscheid e.V. des Sauerländischen Gebirgsvereins in ihr 2. Jahrhundert hineingehen

 

Verfasser: Rolf Altmann